Na? – Genau!
Er macht sich selber klein!
Man muss ja wohl davon ausgehen, dass Dr. Theo Zwanziger ein Selbstverständnis von sich hat, das als „schöner Schein“ ganz treffend beschrieben werden kann und von dem er annimmt, dass er den deutschen Fußball wohlig wärmt und im hellsten Licht erstrahlen lässt, der aber bekanntlich auch trügen kann und nun am Rande seiner Rückzahlungsfähigkeit angekommen zu sein scheint, wo er dem hoffnungsfrohen Fußballvolk seine Abdankung in Aussicht stellt für den Fall, dass deutsche Gerichte ihn nicht gegen die infame und diffamierende Majestätsbeleidigung, ein „unglaublicher Demagoge“ zu sein, in Schutz nehmen.
„Wenn das verfassungsrechtlich zulässig ist, werde ich sehr ernsthaft erwägen, ob ich dieses Amt weiterführe.“
Die Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit sollte sich ein Volljurist in dieser exponierten Stellung von Hause aus eigentlich strengstens verbeten haben, schon um nicht den Verdacht zu erhärten, seine Staatsexamen günstig an der nächstbesten Torwand geschossen zu haben – einer unten, einer oben ist schon ausreichend wenn nicht sogar vollbefriedigend, beim dritten Treffer gab es noch den Doktor dazu.
Die von ihm bisher angestrengten gerichtlichen Entscheidungen sollten, auch für einen Verwaltungsrechtler deutlich erkennbar, den Geltungsrahmen des Grundgesetzes hinreichend abgesteckt haben, so dass die Zurechtweisungen mit einem zerknirschten Kopfnicken und nicht mit der Anstrengung des Hauptsacheverfahrens zu beantworten gewesen wären.
Der Sportfunktionär: Eine Funktion mit vielen guten Bekannten
Leider ist nun zu erwarten, dass es bei den sehr ernsthaften Erwägungen bleiben wird, er sich dem Drängen seiner Freunde beim DFB, im Amt zu bleiben, nicht entziehen kann und er sich vor allem der zwingenden Argumentation der völligen Unersetzbarkeit nicht verschließen können wird.
„Spieler sind zu ersetzen, aber ehrenamtlich tätige Funktionäre nicht.“ Das war die operative Geschäftsgrundlage des DFB von Hermann Neuberger, Präsident von 1975 bis 92 und WM-Organisationschef von 1974 bis 94, die den Umgang mit dem „Spielermaterial“ bis heute zu bestimmen scheint. Zur Untermauerung dieser Doktrin ist er stilecht mit den Füßen voran aus dem Amt geschieden, im Umgang mit Beleidigungen war er aber ein ganz Großer.
Scheffel unter Lichtgestalten
Als „Denunziant“ und „Pharisäer“, der „sich überschätzt“ bezeichnete ihn Franz Beckenbauer 1980 in einem „Playboy“-Interview, damals das Offizielle Zentralorgan für die runden Dinge des Lebens und mit der heutigen Reichweite eines Kommentars zu einem Blog überhaupt nicht zu vergleichen.
„Was interessiert sein Geschwätz von gestern“ muss Neuberger gedacht haben als er Beckenbauer viereinhalb Jahre später vom Kaiser zur Lichtgestalt hochknipste und gegen den Widerstand von Vorstandskollegen zum Teamchef berief, das „als einen Segen für den deutschen Fußball“ verkaufte und gleichzeitig so tat, als ob er seine Person vollkommen hintanstellte.
Neuberger, als Archetyp des deutschen Fußballfunktionärs, prägte das Bild wie kein anderer, Vereinspräsidenten waren eher für die Kuriositäten und Belustigungen und vor allem für die Pleiten zuständig.
Fußballpräsidenten
Den Funktionär hat man als junger Sportbegeisterter vor allem lästig gefunden, wenn er zu Wort kam, man war aber auch mehr oder weniger belustigt, wenn Größen wie Holst, Wolfgang oder Horst-Gregorio für ordentlich Betrieb auf den besseren Plätzen gesorgt haben. Ein bisschen Größenwahn vor der Pleite war eigentlich immer, da haben sich die Verbandsoberen eher bedeckt und den Ball schön flach im Rückraum der Berichterstattung gehalten.
„Ich dachte immer, dass es in der Politik am schlimmsten zuginge, doch was ich im Fußball erlebe, ist noch viel schmutziger.“ Das ist eine Erkenntnis von Dr. Erich Riedl, MdB von 1969 bis 98 und in der Münchner CSU mit allen Spielabarten von Politik hinreichend vertraut, nachdem er 1974 den Vorsitz bei „1860“ übernommen hatte und die „Löwen“ bis 1981 zum Lizenzentzug in die Amateurliga führte.
„Ich bin für dieses Amt geboren.“
Damit meinte Neuberger den Posten des FIFA-Präsidenten, vor dessen Karren er über 20 Jahre als Führpferd im Geschirr stand, so dass die Zügel beim DFB tiefe Schleifspuren bei den Anhängern seiner Auswahl hinterließen.
Es war die heftigste Zumutung für den deutschen Fußballfan, dass bei der Titelverteidigung in Argentinien auf eine halbe Weltklassemannschaft (Beckenbauer, Breitner, Grabowski, G. Müller und Stielike) verzichtet wurde. Die Restmannschaft in einem dreifach gesicherten Lager zu konzentrieren und voll abkollern zu lassen und mit alten und neuen militärischen Heldentaten (Rudel und Videla) zu belästigen sowie mit Franz Lamberts „musikalischer Seelenmassage“ mit urdeutschem Liedgut locker zu machen und zu motivieren, hätte eigentlich an der Genfer Konvention scheitern müssen – die Armen, was müssen die gelitten haben!
Das Ergebnis war bei der grassierenden Führungsschwäche der Mannschaftsleitung (Schön und Vogts) sportlich und moralisch ein Desaster auf absolutem Weltniveau.
Der lange Weg von Ascochinga nach Yad Vashem
Um das Bild vom „hässlichen Deutschen“, dem zu entsprechen sich Hermann Neuberger scheinbar immer große Mühe gegeben hat und das bei der WM 82 in Spanien mit dem 1:0 gegen Österreich eine sehr schöne Fratze dazu gewinnen konnte, wieder einigermaßen spiegelbildtauglich zu machen, wurde streng nach kohlschem Vorbild der „geistig moralischen Wende“ der kürzeste, vom Kanzler mit der Gnade der Verspäteten vorgewalzte Trampelpfad aus der „rechten Ecke“ beschritten.
„Erinnerung ist der beste Weg zur Versöhnung“ (E. Braun)
Die Besuche von DFB-Delegationen in Yad Vashem sind, wie vor Monatsfrist zuletzt gesehen, inzwischen von einer routinierten Betroffenheit bei den leitenden Herrschaften gekennzeichnet. Die Verhaltensregeln für mitgeführtes Spielermaterial und Berichterstatter sorgen dafür, dass alles im Rahmen bleibt und gröbere Peinlichkeiten vermieden werden.
1987 stellten aufreizend gelangweilte Profis ihr Desinteresse demonstrativ zur Schau, was vom Teamchef, der wie 3 Jahre zuvor der Kanzler nichts Neues bei der Besichtigung hatte erfahren können, noch überboten werden konnte und von der präsidialen Frühgeburt gekrönt wurde: „Ich war Soldat im Fronteinsatz und habe erst nach 1944 von Konzentrationslagern erfahren.“ In Wahrheit aber als Stabsoffizier in Rom schon den Triumph bei der WM 90 von ganz langer Hand in streng geheimer Kommandosache generalstabsmäßig vorbereitet hatte.
1997 unter der Führung von Egidius Braun hat dann eine zwei Schock starke Journalistenmeute, die die Gedenkstätte in einen Rummelplatz verwandelt hatte, dass selbst Berti Vogts unangenehm berührt war, dem DFB-Aufgebot keinen Spielraum gelassen, mit Ausfälligkeiten aufzufallen.
2007 hätte man durch eine einfache Krankmeldung von Ashkan Dejagah unnötige Aufgeregtheiten leicht vermeiden können. Das Versäumnis hat belegt, dass die Führung des DFB nach dem etwas üppig geratenen Vorbild der pfälzischen Provinz, immer noch nicht in der Lage ist, ohne größere Geräuschkulisse und Kollateralschäden durch eine gut sortierte Porzellanabteilung zu kommen.
Gleichwohl gibt es für den eingeschlagenen Weg zu Versöhnung und Integration sowie gegen Rassismus, Homophobie und Gewalt nur stark abseitige Alternativen.
Die Aktivitäten und den guten Willen dazu, den niemand der DFB-Führung abgesprochen haben wollte, als Argument für einwandfreie Gesinnung ins Feld zu führen, und gegen berechtigte und vor allem rechtmäßige Kritik zu instrumentalisieren, hat das Potenzial die Bemühungen als ganzes zu diskreditieren.
Die diversen Ehrungen und Preisverleihungen wirken nebenbei auf nicht ganz so wohlwollende Beobachter wie das gegenseitige verbale „Schulterklopfen“ auf der sportlichen Ebene, wo man sich gegenseitig über den grünen Klee lobt und nebenher mit Werbeauftritten gefährliche Schleuderkurse mit Zusatzschub und Start-Stopp-Funktion aber ohne Extrawürste auf bedenklichem Nivea vollführt.
„Keine Macht den Drogen“ zu propagieren und sich maßgebend von der Brauereiwirtschaft alimentieren zu lassen, ist eine weitere Facette des zwinkernd zugedrückten Auges im Umgang mit hehren Ansprüchen und der harten Wirklichkeit. Dass man alkoholfreies in den Vordergrund rückt, ist wie: Kinder kifft! Aber nicht inhalieren!
Realität ist ja bekanntlich auch nur was für Leute, die nicht mit Drogen umgehen können.
Die Kommunikationsherrschaft soll mit dem überfallartigen Besetzen von Themen und Begriffspositionen erbeutet und diese Stellungen bis aufs letzte Wort verbissen verteidigt werden, gespaltene Zungen müssen dabei billigend in Kauf genommen werden.
„Ich bin kein Prozesshansel, ich kann Kritik einstecken.“
Um wieder auf Kleingeld-Theo zurückzukommen, der anscheinend keine Tasche mehr frei hatte und nur in Ausnahmefällen Kopfbedeckungen trägt und sich nun scheinbar auf eine gut gesicherte Gratwanderung zwischen Brand- und Friedensstifter begeben hat.
Dabei ist er nur in der ihm eigenen Engagiertheit den Amtspflichten eines DFB-Präsidenten nachgekommen. Volljuristen können manchmal nicht anders, wenn sie unveräußerliche Rechtsgüter wie die Verbandseigenständigkeit oder die freihändige Fußballvermarktung in Gefahr sehen.
Am Erstaunlichsten an der ganzen Geschichte ist, dass sie überhaupt eine geworden ist. Neuberger in der Situation hätte das nicht mal ignoriert, Braun hätte leise mit dem Unverständnis der Welt gehadert und wäre wahrscheinlich ein wenig traurig gewesen und MV wäre wohl eher geschmeichelt gewesen und hätte zur Untermauerung noch mal richtig zurück gepoltert.
Dass Funktionäre so funktionieren, nämlich glauben, an vorderster Front für das Gemeinwohl zu kämpfen und dafür wie die Sportler Alles zu geben und auch gerne was nehmen, ist unglaublich normal, für meinen Geschmack ist das hemdsärmlig Aufbrausende allemal erträglicher als die halstuchige Abgeklärtheit mit der bei der FIFA die Geschäfte vollstreckt werden.
Ein bisschen wie die Wahl zwischen Masern und Blattern.
Der Unterboden des Grundgesetzes
Dass das Wort Demagoge bei Hartgeld-Theo einen Reflex im Beleidigungsnerv getroffen hat, der sich durch einen Blick in den Duden, wo er „Volksverhetzer“ als verbindliche Bedeutung gefunden hatte, zu einem Starrkrampf verfestigt hat, ist schon erstaunlich genug, aber dass nur noch eine Lösung auf gerichtlichem Weg, der wahrscheinlich erst in Straßburg ein Ende findet, für möglich erachtet wird, sieht aus als baute sich jemand akribisch einen Startblock zum Amoklauf auf.
Wenigstens haben die überlasteten Gerichte mal ein bisschen Abwechslung und könnten, den entsprechenden Belustigungswillen vorausgesetzt, zur Auflockerung ausgiebig das Zwerchfell striegeln.
Da die Mühlen der Gerichte mitunter in Super Slow Motion mahlen, bedeutet das allerdings, dass auch ein natürliches Ableben des Souveräns als Paragraphenjockey bei einem Hindernisritt durch sämtliche Instanzen, zumal wenn sein überempfindliches Rechtsempfinden, wie es überhaupt nur bei Volljuristen vorkommen kann, weiter fortgesetzt mit Füßen getreten wird, ganz fest ins tränenverschwommene Auge gefasst werden muss.
2009 wartet mit neuen Herausforderungen
Aus der rechten Ecke, in die ihn nie jemand hat drängen wollen, die aber von Seiten des DFB mit Stachel- und Stolperdraht führerbunkerartig ausgebaut wurde, scheint es keinen Ausweg mehr zu geben, und so steht nun der große Vorsitzende mit dem Rücken da, wo die Kollegen vom DFB-Präsidium wie eine Wand hinter ihm stehen.
Vor ihm liegt seine „persönliche Ehre auf dem Altar des Amtes“, die nicht Treue heißt und sich deshalb gegen die Opferung sträubt, sie wartet auf die Verwandlung in einen Sündenbock für das Bauernopfer nach Erzvätersitte, kann aber die Gehorsamsprüfung vorm Fußballgott mit dieser Einstellung nicht bestehen. Es wird entsprechend fleißig nachjustiziert. Der Dienst am Spiel wird darunter zu leiden haben.
Steilpass in die Sackgasse
Heimspiel im Weinreich, da weiß man auch nicht, ob man heulen oder saufen soll, Bimbes-Theo hat aber allen Grund beides ausgiebig miteinander zu kombinieren.
Aus einer Sektlaune mit der Schnapsidee an die Öffentlichkeit zu treten, dass dem ramponierten Glorienschein richterlich eine Rettung willfahren wolle – bierselig sind die, die stark im Glauben sind – dürfte wie bei MV mit dem Exil bei der UEFA in Basel enden.
Aus dem stolzen Vorreiter von sechseinhalb Millionen Mitgliedern werden lediglich zwei handvoll Indianergeld in unguter Erinnerung bleiben, der Ball rollt ungerührt weiter.
Schnief und Prost!
28. Januar 2009 um 13:24
Chapeau – ich kann mich nicht daran erinnern, jemals einen nur ansatzweise ähnlich tiefsinnigen und so konsequent ausufernden Beitrag zum Thema Fußball und seine Funktionäre gelesen zu haben. Für einen Blogbeitrag überraschend lang, über weite Strecken sehr kompliziert bis verwirrend (wenn das Hintergrundwissen fehlt und das tut es bei mir mehrfach) aber dafür immer herrlich komplex und gehirnwindungsaktivierend. Zusammengefasst: Ein Meilenstein der augenzwinkernden Beschreibung und Beurteilung deutscher Funktionärsmentalität am Beispiel des DFB.
Der aktuelle Präsident des Deutschen Fußballbundes, Theo Zwanziger, fordert diese Form der Diskussion aber auch mit aller ihm zur Verfügung stehenden Macht heraus. Mit seinem unsinnigen Rechtsstreit gegen den Sportjournalisten Jens Weinreich lenkt Zwanziger das Augenmerk der fußballinteressierten Öffentlichkeit in eine grundsätzlich falsche Richtung. Nämlich weg von dem von uns allen so geliebten Fußball, hin zu persönlicher Eitelkeit und Starrsinn des deutschen Sportfunktionärs. Von einem Sportjournalisten als „unheimlicher Demagoge“ bezeichnet zu werden, sollte und dürfte niemals einen derartigen Wirbel entfachen. Da sollte man als Präsident des DFB doch einfach drüber stehen oder sich der Auseinandersetzung anders und weitaus geschickter stellen.